Bäderarchitektur auf Usedom

Kurioses und Spannendes aus den drei Kaiserbädern

Veröffentlicht: 30. Mai 2024

Villa Staudt in Heringsdorf, © TMV/Gohlke

Veröffentlicht: 30. Mai 2024

Eva und Werner John, Bäderarchitekturexperten der drei Kaiserbäder

Seit über 30 Jahren beschäftigen sich die Eheleute Eva und Werner John leidenschaftlich mit der Geschichte der Kaiserbäder, suchen in Archiven nach Briefen und Unterlagen, organisieren Vorträge und erzählen interessierten Gäste auf ihren Führungen unzählige Geschichten zu den historischen Schmuckstücken der Bäderarchitektur.

Liebe Frau John, was versteht man unter Bäderarchitektur?

Die Hochzeit der Bäderarchitektur liegt zwischen 1870 und 1910. Dabei ist die Bäderarchitektur kein einheitlicher Architekturstil, sondern viel mehr ein Mix aus verschiedensten Baustilen: Geprägt von einer außergewöhnlichen Eleganz gleicht keine prachtvolle Villa der anderen und doch passt alles zusammen. Jeder baute wie er wollte und jeder wollte den anderen übertreffen. Typische Elemente sind neben der weißen Fassade, die Erker, teilweise bis zu sechs Meter hohe Marmorsäulen wie bei der Villa Oppenheim in Heringsdorf, offene Loggien mit filigranen Holzarbeiten für die gesunde Seeluft, barocke Putten, mit Ornamenten verzierte Dreiecksgiebel, große Jugendstilfenster, reich verzierte Schornsteine, Dachgiebel und Balkongitter, großzügige Freitreppen, aufwändig gestaltete Eingangstüren.

Worin unterscheidet sich die Bäderarchitektur der drei Kaiserbäder?

Heringsdorf war schon damals der Badeort der Schönen und Reichen. Etwa 1872 begann seine Blütezeit, nachdem die Brüder Hugo und Adelbert Delbrück große Ländereien erwarben und den Ort zum exklusiven Badeort entwickelten. Besonders hervorzuheben ist die breite Naturpromenade, die aus großen Waldbeständen des ehemaligen Rittergutes Gothen entstand, aus welchem schon Georg Bernhard von Bülow, weitläufig verwandt mit dem deutschlandweit bekannten Humoristen Vicco von Bülow, zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Anfänge des Badeortes entwickelte.

Ahlbeck ist das älteste der drei Kaiserbäder. Das Badewesen begann dort im Jahre 1852 mit den ersten zahlenden Urlaubern. Dort ist auch die älteste und einzig original erhaltene Seebrücke Deutschlands zu bewundern, die 1898 erbaut wurde und auf der Loriot die bekannte deutsche Filmkomödie „Pappa Ante Portas“ drehte.

In Ahlbeck befindet sich auch der1890 gebaute „Ahlbecker Hof“, das erste Fünf-Sterne-Hotel der Kaiserbäder. 1905 war unter anderem der Österreichische Kaiser Franz Joseph I dort zu Gast und fuhr täglich mit einer Droschke in die katholische Kirche nach Swinemünde. 2006 weilte hier die Schwedische Königin Silvia, als Ehrengast des Usedomer Musikfestivals, während dem in diesem Jahr Schweden im Mittelpunkt stand.

Bansin ist das jüngste Kaiserbad, gegründet 1897. Dort findet man heute noch traumhaft schöne Holzvillen, die die „Wolgaster Actien-Gesellschaft“ gebaut hat, die als erster Hersteller von Fertighäusern aus Holz in Deutschland gilt. Als die Brüder Delbrück nach der erfolgreichen Entwicklung von Heringsdorf auch Bansin kaufen und entwickeln wollten, bauten die Bansiner, die diesen Verkauf verhindern wollten, innerhalb von nur 15 Monaten die historische Bergstraße mit unzähligen Villen. Das Besondere hier: alle Villen der ersten Reihe wurden auf Lücke gebaut, damit man auch aus den Villen in der zweiten Reihe den traumhaften Meerblick genießen kann.

Gibt es Kurioses aus dieser Zeit zu berichten?

Na unter anderem zur damaligen Garderobe: Die Garderobe der Gäste, die hier wandelten, sollte am Vormittag nicht die gleiche sein, wie am Nachmittag. Wenn nachmittags auf den Konzertplätzen Reunions stattfanden oder in den Villen Tanztees, zog man sich wieder um und abends noch einmal. Aus diesem Grund reisten die Herrschaften auch mit kiloschwerem Gepäck und Schrankkoffern an.

Oder zur vornehmen Blässe: Die Damen trugen Strohhüte und Sonnenschirm, die Herren Melonen-Hüte, beide mieden die Mittagssonne. Aber das Personal durfte mittags an die frische Luft. Dementsprechend konnte man an der sommerlichen Bräunung der Haut den gesellschaftlichen Status erkennen.

Auch Kaiser Wilhelm II besuchte zwischen 1908 und 1912 bei seinen Nordlandfahrten mindestens einmal im Jahr Usedom, um mit Frau Elisabeth Staudt, Witwe des Großkaufmanns und Konsuls Wilhelm Staudt, zum Tee im Garten der Villa Staudt in Heringsdorf über Belangloses und Weltbewegendes zu plaudern. Und weil bei diesen Besuchen immer sonniges Wetter war, wurde der Begriff „Kaiserwetter“ geprägt.

Interessant ist auch, dass die Villen vor nunmehr rund 150 Jahren alle auf Sand gebaut wurden und bis heute nicht verrutscht sind. Und die damals extra für die gesunde Seeluft offenen Loggien sind heute häufig verglast, als Schutz vor starken Winden und um mehr Raum zu gewinnen. Jedoch wird dazu meist ein entspiegeltes Spezialglas genutzt, so dass bei Beleuchtung innen und Dunkelheit draußen die Optik der früheren offenen Loggien wieder entsteht.

Was dürfen unsere Gäste auf keinen Fall verpassen?

Sie sollten die Woche der Bäderarchitektur jedes Jahr im September mit faszinierenden Lichtinstallationen und verschiedensten Veranstaltungen rund um die Bäderarchitektur, oder im Sommer unsere Kaisertage in Heringsdorf, das größte Volksfest der Insel, wenn nicht sogar ganz Mecklenburg-Vorpommerns, zur Bewahrung der Traditionen, besuchen.

Und wir würden uns freuen, wenn sie mal an einer unserer Führungen teilnehmen, dann erfahren sie viele weitere Kuriositäten und Geheimnisse, wie etwa die Geschichte der Residenz Bleichröder in Heringsdorf.

Veranstaltungen rund um die Bäderarchitektur

Ortsrundgang

  • Nächster Termin: 26.11.24
  • Alle Termine: 02.01.24 bis 30.12.25
  • Delbrückstraße, 17424 Heringsdorf

Ortsrundgang

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Seebrücken auf der Insel Usedom

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Die Seebrücke Ahlbeck ist in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben, © TMV/Fischer

Seebrücke Ahlbeck

  • Dünenstraße, 17419 Seebad Ahlbeck

Die Seebrücke Ahlbeck gilt als das Wahrzeichen der Insel Usedom und stammt wie die meisten der in der Nähe befindlichen Bäderarchitektur-Villen aus dem vorletzten Jahrhundert.

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Die Seebrücke in Heringsdorf ist mit 508 Metern die längste deutsche Seebrücke, © TMV/Fischer

Seebrücke Heringsdorf

  • Strandpromenade, 17424 Seebad Heringsdorf

Die 508 m lange Seebrücke ist in Stil der Moderne errichtet. Einzigartig sind die Aufbauten aus Stahl und Glas, insbesondere das aus der Ferne wie ein Ufo wirkende Restaurant auf dem Brückenkopf.

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© TMV/Gohlke

Seebrücke Bansin

  • Jederzeit frei zugänglich
  • Strandpromenade, 17429 Bansin

Die Seebrücke ist 285 m lang und bietet Ihnen einen faszinierenden Blick auf die Promenade mit den zahlreichen Villen im Baustil der Bäderarchitektur.

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© TMV/Gohlke

Seebrücke Zinnowitz mit Tauchgondel

  • An der Strandpromenade, 17454 Zinnowitz

Die Tauchgondel am Kopf der 315 Meter langen Seebrücke bietet Ihnen die Möglichkeit, trockenen Fußes eine Tauchfahrt in die Ostsee zu unternehmen und den Lebensraum unter den Wellen näher kennenzulernen.

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© TMV/Gohlke

Seebrücke Koserow

  • Am Strande, 17459 Koserow

Die neue Seebrücke von Koserow reicht in Wellenform 280m in die Ostsee hinein. Im Jahr 2021 eröffnet, bietet sie 2 große Plattformen, die zum Sitzen, Genießen und Ostseeluftschnuppern einladen. Gleichzeitig kann man diese hervorragend als Sonnenuntergangskino nutzen.

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