Wolfgang Stohmann schiebt sich die schwarze Melone mit den bunten Ansteckfedern aus der Stirn. Er zeigt auf das goldgerahmte Gemälde von Wilhelm Malte I., Fürst zu Putbus, in einem der Säle des Jagdschlosses Granitz: „Guckt euch mal genau die Uniform an, Kinder. Das ist keine deutsche Uniform. Was seht ihr da auf der Tasche?“. Maxi und Isabella fixieren das Bild. „Drei Kronen“, sagt Maxi. „Na, und welches Land hat drei Kronen in seinem Wappen?“. Maxi überlegt. „England?“.
Knapp daneben. Das enganliegende, schwarzgelbe Outfit des Hausherrn des Jagdschlosses Granitz ist die Uniform eines schwedischen Leibhusaren; schließlich war Hausherr Wilhelm Malte I. Generalgouverneur der Provinz Schwedisch-Vorpommern, zu der Rügen bis 1815 gehörte. Aber Maxi ist ja auch erst sechs Jahre alt, und genau dafür ist die Kinder- und Familienführung im Schloss gedacht: um Kindern auf spannende und interaktive Weise den Jagdsitz nahezubringen, den sich die Putbuser Fürstenfamilie zwischen 1837 und 1846 auf einer der höchsten Erhebungen Rügens mitten im Waldgebiet der Granitz errichtet hat. Mit seiner zartrosa gestrichenen Fassade, den steinernen Hundeskulpturen an der Eingangstreppe, den vier Ecktürmen und dem 38 Meter hohen Mittelturm liegt er wie ein Märchenschloss im Grünen. Für den Bau der sogenannten „Krone Rügens“ lieferte übrigens kein geringerer als der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1830 eine Skizze. Auch der große Baumeister Karl Friedrich Schinkel arbeitete an den Planungen mit.
Das Rätsel um den hohen Turm
Fast alle Kinder finden Schlösser spannend. Schließlich wecken sie sofort Assoziationen an Märchengestalten wie Prinzessinnen, Könige und Ritter. Schlossführungen hingegen sind oft kein echtes Vergnügen für Kinder. Jedenfalls dann nicht, wenn Guides endlos Jahreszahlen und schwer verständliche historische Vorgänge abspulen, für die dem Nachwuchs normalerweise das Interesse und die Geduld fehlen. Dabei lässt sich Geschichte ja auch ganz anders erzählen. Und dafür sind die Familienführungen auf Jagdschloss Granitz das beste Beispiel. Denn hier wird die Schlossgeschichte in aufregende kleine Erzählungen verpackt und auf spannende Art und Weise an besonderen Exponaten verdeutlicht – das weckt die Phantasie der Kinder und regt ihre Neugier an. Glückliche Kinder wiederum führen bekanntlich zu noch glücklicheren Eltern.
Eine Stunde lang führt Wolfgang Stohmann seine beiden kleinen Gäste durch das Schloss mit den vier runden Ecktürmen und dem weithin sichtbaren Mittelturm. Überhaupt ist der Mittelturm das Wahrzeichen des Jagdschlosses! Stohmann will wissen: Was die Kinder wohl glauben, warum Fürst Wilhelm Malte I. einen gar so hohen Turm errichten ließ? Die Kinder überlegen. „Um anzugeben und Ausschau zu halten!“ Gar nicht so falsch, freut sich Stohmann; es ging tatsächlich um die Aussicht – und natürlich auch um die Demonstration von Macht.
Fürstliche Desserts und ein Ofen in Rüstungsform
Auch sonst weckt das Schloss die Neugier der Kids. Allein schon die prächtige Ausstattung! Zwar ist über die Jahrhunderte einiges an Interieur verloren gegangen, doch noch immer hängen unzählige Jagdtrophäen an den Wänden, selbst Tische und Stühle sind aus Geweihen gefertigt. Andere Möbel bestehen aus kostbaren, vergoldeten Seilen und an den Decken funkeln Kristalllüster wie im Märchen.
So viel gibt es zu entdecken!
Das luxuriöse Speisezimmer etwa. Was die Fürsten wohl seinerzeit gegessen haben, fragen sich die Kinder, ob es wohl Nachtisch gab? Den gab es, weiß Stohmann seinem aufmerksam lauschenden Publikum zu berichten, und zwar vom Feinsten. In den Kochbüchern der Schlossküche haben sich nämlich Rezepte für Puddings, Cremes, kandierte Früchte und Kuchen aller Art gefunden.
Und dann hier diese eiserne Rüstung im großen Rittersaal. Was es mit ihr wohl auf sich hat? Unauffällig steht sie an der Wand. „Ist es denn wirklich eine Ritterrüstung?“, fragt Stohmann verschmitzt. „Guckt doch mal genauer hin!“ Isabella und Maxi begutachten das eiserne Teil. Isabella sieht es zuerst: ein Eisenrohr verbindet die pechschwarze Gestalt mit der Mauer – die vermeintliche Rüstung ist in Wirklichkeit ein Ofen, mit dem das Schloss an kalten Tagen geheizt wurde.
"Wo gingen die Fürsten eigentlich aufs Klo?“
Geduldig beantwortet Stohmann, der eine Weste zu dunklen Jeans trägt und mit seinem weißen, kurzen Bart wie ein freundlicher Großvater wirkt, alle Fragen der Kinder. Auch solche, die nicht in den Geschichtsbüchern stehen, mehr die praktischen Aspekte des Schlosslebens betreffen und die Kids umso mehr beschäftigen.
„Wo gingen die Fürsten eigentlich aufs Klo?“, wollen die Kinder wissen. Das könne man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, muss der Guide zugeben. Aber es werde vermutet, dass im sogenannten Privé ein nachttopfartiges Sanitärmöbel gestanden sei, das die Dienstboten dann hätten leeren müssen. „Man nannte das übrigens nicht Toilette. Toilette machen bedeutete früher vielmehr, dass man sich wusch.“ Die Kinder nicken eifrig. Wieder was gelernt!
Jagdschloss Granitz
- Heute geöffnet
- Jagdschloss Granitz, 18609 Binz
Museum und Veranstaltungsort. Gelegen inmitten des Waldgebietes Granitz. Erbaut 1837. 154 Stufen zum 38 m hohen Aussichtsturm mit grandiosem Rundblick über die Insel Rügen.
Höhepunkt in jeder Hinsicht: der Mittelturm
Highlight der Kinderführung ist dann natürlich der Mittelturm. Man kann hinaufsteigen. Die freischwebende, aus 154 durchbrochenen Eisenstufen bestehende Innentreppe ist eine ganz ungewöhnliche Konstruktion. Atemberaubend windet sie sich bis zur Aussichtsplattform empor. Ganz schön aufregend, auf einmal so hoch über dem Schlossdach zu stehen! Man könnte jetzt den herrlichen Blick über die Boddenlandschaft und die Ostsee bis nach Greifswald genießen. Doch Kinder sind bekanntlich von Panoramaaussichten nicht allzu lange zu fesseln. Was sie viel mehr interessiert, ist, ob Herr Stohmann nicht vielleicht noch eine aufregende Schlossgeschichte zu erzählen hat. Und … hat er tatsächlich!
Veranstaltungen und Führungen
im Jagdschloss Granitz und in den Staatlichen Schlössern in MV
Die Familienführungen im Jagdschloss Granitz finden in den Sommer- und Herbstferien statt und eignen sich für Kinder ab sechs Jahren. Für sie ist der Eintritt frei. Auch Eltern dürfen mitmachen; für sie kostet das Ticket zehn Euro. In und um das Jagdschloss finden außerdem weitere Themenführungen, Konzerte, Mondscheinwanderungen sowie Jagdhorn- und Teckeltage statt.
Weitere Informationen auf www.jagdschlossgranitz.de.
Stilvoll anreisen lässt es sich mit dem Jagdschloss-Express, einer Sightseeing-Bahn, die an der Seebrücke in Binz startet.
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Puppenspielführung mit Dackel Waldi von Hohenhund
- Nächster Termin: Heute
- Alle Termine: 02.01.24 bis 30.12.24
- Jagdschloss Granitz, 18609 Binz
Puppenspielführung mit Dackel Waldi von Hohenhund