Mit Genuss von Schloss zu Schloss

Nach zwei weiteren Kilometern weist ein Schild nach links zum Freilichtmuseum Mueß. Die Räder holpern über die gepflasterte Straße, deren Seiten große Linden säumen, und halten vor alten Bauernhäusern. Hier im Freilichtmuseum können Besucher alles über das Leben der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Jahrhunderten erfahren. Und dank moderner Technik sogar ein Selfie mit den Leuten von damals machen! Wie das geht? Mithilfe von Augmented Reality (AR). Alles, was es dazu braucht, ist die kostenlose YONA App auf dem Smartphone, und schon erscheinen die Menschen virtuell vor den Gebäuden des Museums. Einfach daneben stellen, Arm um die neuen Bekannten legen, Foto machen und das dann an Freunde und Bekannte schicken. Auf der »Schloss & Genuss-Erlebnisradtour« sind verschiedene AR-Stationen aufgebaut, mit deren Hilfe die Orte auf eine besondere Weise erlebt werden können. Einmal heruntergeladen, kann die App offline genutzt werden. Neben den AR-Fotoboxen, Spielen und Zusatzinformationen zu den jeweiligen Stationen bietet sie eine digitale Routenführung für die gesamte Strecke.

Mittlerweile hat die Sonne etwas mehr Kraft und die Strahlen scheinen beim Radeln wärmend auf den Rücken. Da kommen fast Sommergefühle auf. Jetzt eine Kugel Eis wegschlecken, das wäre schon was. Gedacht, getan: Auf geht’s zu der 1986 gegründeten Eis-Manufaktur Schwerin-Mueß, vor der sich bei gutem Wetter oft lange Schlangen bilden. Bekannt ist der Laden für sein Softeis, und es stimmt, das Mango-Joghurt-Eis ist ein Traum! Die Sorten wechseln hier täglich und sind schon vorab auf der Website nachzulesen.

Frisch gestärkt macht das Radeln auf der Schlosstour rund um Schwerin gleich doppelt so viel Spaß. Und bei all der Energie ist der nächste Halt schnell erreicht: Raben Steinfeld. Als die Räder durch die Ortseinfahrt rollen, zeichnen sich in den Gesichtern große Fragezeichen ab. Ist das noch Mecklenburg-Vorpommern? Grund für die Verwirrung sind die Häuser im englischen Stil, die plötzlich zur Linken und Rechten auftauchen. Großherzog Friedrich Franz II. ließ die so gar nicht deutsch wirkenden Gebäude im Jahr 1863 für die Familien seiner Gestütswärter bauen. Seine ehemalige Sommerresidenz, das Schloss Raben Steinfeld mit seinem malerischen Landschaftspark, befindet sich am Rande des Ortes, nur wenige hundert Meter von den Gestütswärterhäusern entfernt.

Nach einem großen Schluck aus der Wasserflasche steht jetzt ein etwas längerer Abschnitt auf der Schlosstour rund um Schwerin an. Etwa 13 Kilometer sind es von Raben Steinfeld bis nach Basthorst. Die Strecke ist (mal wieder) von prächtigen Bäumen gesäumt und die Aussicht auf die weiten Felder rundum wunderschön. Trotzdem ist hier Konzentration gefragt: Die Straßen sind meist schmal und Fahrräder nutzen den begrenzten Raum manchmal gemeinsam mit anderen Verkehrsteilnehmern. Im kleinen Basthorst angekommen, fällt zuerst das Kunsthaus ins Auge, das von Michael Frahm geleitet wird. Seit 15 Jahren stellt der gebürtige Mecklenburger hier in einer Galerie seine expressionistische Kunst aus. Nebenan befindet sich die zugehörige Kunst-Pension für bis zu 16 Personen. »Meine Frau und ich lieben die Gegend hier«, sagt Frahm, der sich auf Instagram »Glücksmaler« nennt und in seinem knallpinken Poloshirt auf den ersten Blick gute Laune verbreitet.

Gegenüber dem Kunsthaus lockt irische Folklore in die Schmuckwerkstatt Casúr Óir, im Krebsgarten ganz in der Nähe werden Edelkrebse gezüchtet, und das Wörtchen edel passt auch zum bekanntesten Anwesen im Ort: Schloss Basthorst. Vom Kunsthaus bis zum Schloss ist es nur ein Katzensprung. Kaum auf dem Rad, ist der Zielort schon erreicht. Zeit zum Abendessen. Im Restaurant Wilhelmina Helena sind nämlich nicht nur die Hotelgäste willkommen, die eines der stilvollen Zimmer oder eine luxuriöse Suite gebucht haben, sondern auch Außer-Haus-Gäste. Und alle werden hier wahrlich königlich verwöhnt – auf den Teller kommen traditionelle, aber modern umgesetzte Gerichte.

So schwer der Abschied fällt. Es wird Zeit. Nach einem ausgiebigen Frühstück rollen die Räder vom Schlossgelände. Wer möchte, kann jetzt noch einen Abstecher zum Schloss Kaarz machen, aber heute ist das nächste Ziel auf der Schlosstour rund um Schwerin direkt das Waldidyll Schloss Wiligrad. Mit etwa 30 Kilometern ist das der längste Streckenabschnitt der Tour. Doch das Pedaletreten lohnt sich. Nicht nur wegen des hübschen Schlosses, sondern auch wegen der weiten Parklandschaft, die zu einem ausgiebigen Spaziergang einlädt. Und wegen des schnuckligen Cafés in der ehemaligen Gärtnerei. An goldenen Herbsttagen wie diesem schmeckt der Kaffee draußen auf der Wiese besonders gut, an kalten Tagen kann man es sich im Inneren vor dem Kamin gemütlich machen.

Auf dem Weg zurück nach Schwerin steht noch ein kurzer Stopp beim Hof Medewege auf dem Programm. Auf dem ehemaligen Gutsgelände befinden sich heute mehrere Betriebe, die sich gegenseitig unterstützen: etwa eine Gärtnerei, eine Imkerei, eine psychotherapeutische Praxis, ein Hofladen – und ein Hofcafé, das aktuell von Levin Jahn geführt wird. Und der stellt auch gleich selbst gebackenen Kuchen auf den Tisch. Als könnte er Gedanken lesen - genau das Richtige nach so einer Radtour! Danach noch schnell im Hofladen was Leckeres fürs Abendessen einkaufen, und schon geht’s die letzten Meter zurück ins schöne Schwerin, wo zum Abschluss noch einmal das Schloss bewundert werden kann: ein märchenhafter Ausklang für eine märchenhafte Fahrradtour.