Göhren von Wikingern besetzt

Männer mit Zottelbärten und Schwertern, Frauen in langen Gewändern mit Pfeil und Bogen – im Seebad Göhren sind stets in der letzten Augustwoche die Wikinger los – zur Freude der vielen Besucher an der Seebrücke

Autor*in: Harald Braun
Veröffentlicht: 20. Juni 2023

zwischen den Sippen gehören zu den Höhepunkten des Göhrener Wikingerfests, © TMV/Tiemann

Autor*in: Harald Braun
Veröffentlicht: 20. Juni 2023

„Du bist tot!“, ruft der Mann mit dem Irokesenzopf seinem Widersacher zu, einem gewaltigen Kerl in einem wallenden weißen Hemd. „Nee, nee!“, antwortet der, zieht seine Lanze zur Seite, ruckelt an seinem rund 20 Kilogramm schweren Kettenhemd und zeigt auf seinen Schild: „Du hast doch gar nicht richtig getroffen!“

Die Zuschauermenge, die sich in großer Zahl um den Kampfplatz der rund 50 Männer am Göhrener Strand versammelt hat, kann diesen launigen Wortwechsel gut hören und lacht laut auf.
Diese Wikinger hier, die gerade noch mit lautem Gebrüll, Schwertern, Lanzen, Pfeil und Bogen aufeinander losgegangen sind, scheinen es mit der Kampfmoral gar nicht so furchtbar ernst zu nehmen. In erster Linie ist es ja schließlich auch nur ein großer Spaß, was sich an diesem Wochenende im August 2022 in Göhren nun bereits zum fünften Mal abspielt.

Allerdings durchaus mit einem geschichtlichen Hintergrund. Den Männern, die sich hier in auffallenden Gewändern und individuell gestalteten Waffen in Mecklenburg-Vorpommern versammelt haben, ist eine authentische Darstellung der Wikingerzeit wichtig. So wie Jaromir und Norde, im wahren Leben Forstwirt Sascha und Verwaltungsfachangestellter Mario.
Hier in Göhren auf dem „Wikingerfest“ sind sie aber ein Slawe (Jaromir) und ein Wikinger (Norde). Der Unterschied ist für Laien kaum erkennbar, für Profis wie Michael Rietschel allerdings augenscheinlich: „Man kann die Slawen, deren Herkunft in der heutigen Ukraine gelegen haben dürfte, und die Wikinger, die aus Skandinavien stammten, gut an ihren Waffen und an den Symbolen auf ihrer Kleidung unterscheiden“, sagt er.
„Die Wikinger tragen beispielsweise einen Thorshammer, eine Art Miniaturhammer, der für Mut, Glück und Fruchtbarkeit steht. Die Slawen wiederum tragen die so genannte Axt von Perun, einen Anhänger in Form einer Streitaxt – um nur ein Beispiel zu nennen.“
Michael Rietschel ist in der einschlägigen Szene als „Der Germane“ bekannt und kennt sich auch deshalb so gut in der Materie aus, weil er seit 22 Jahren einen gleichnamigen Laden führt, erst in Berlin, seit 2016 in Göhren. Nicht zuletzt ihm ist es als Mitorganisator gemeinsam mit der Kurverwaltung zu verdanken, dass sich in Göhren seit 2018 an einem Wochenende im Jahr alles um die Zeit der Wikinger dreht.

Das jährliche Wikingerfest zieht immer wieder zahlreiche Besucher an, © TMV/Friedrich

Wikingerfest

Livemusik, Showkämpfe, kulinarisches Mittelalter

Die Showkämpfe zwischen den meist gut bekannten, wenn nicht sogar befreundeten Sippen sind dabei nur ein Bestandteil des Programms. Um den Göhrener Kurplatz herum kann man schnell den Eindruck gewinnen, in eine Zeitmaschine geraten und geradewegs ins Mittelalter geschleudert worden zu sein. An vielen Ständen wird Met ausgeschenkt, der Honigwein, der den Germanen und Wikingern als Trank der Götter galt. Auf der großen Bühne gibt’s entsprechende Livemusik mit mittelalterlichen Instrumenten wie Sackpfeifen Trommeln oder Drehleiern und vielen ungewöhnlichen Klängen. In „Jens sien Backstuuv“ werden derweil so genannte Lügen-Brote verkauft, die mit Namen wie “3Käsehoch”, “Rittersmahl”, “Scharfer Stecher” oder “Die unscharfe Schwester” aufwarten, in Wahrheit allerdings „nur“ für gut „Gefüllte Pizza“ stehen. Ein paar Meter weiter versuchen sich oberkörperfreie Kerle an der Kunst des Bogenschießens, es gibt eine Falknershow, Baumstriezel nach mittelalterlicher Rezeptur und zudem viele Stände, an denen Handwerker bunte Gewänder und feinen Schmuck anbieten – Exponate, die ebenfalls der Zeit der Wikinger nachempfunden worden sind. Wer will, kann in Göhren ein Schnellstudium in „Wikingerkunde“ absolvieren, kulinarischer Genuss inklusive.

Mehr als ein Hobby

„Wir erleben es immer wieder, dass Besucher in unsere Zelte am Strand kommen und sich wirklich dafür interessieren, was wir hier überhaupt machen“, sagt Jaromir und freut sich augenscheinlich sehr darüber, „Die bleiben dann manchmal zwei, drei Stunden und haben immer noch eine Frage mehr.“ Er kann sie alle beantworten, genauso wie Norde – beide begeistern sich seit mehr als 10 Jahren für ihr ungewöhnliches Hobby. Bei Norde waren es Freunde, die ihn für die „Wikinger“ begeisterten, bei Jaromir eher Filme oder die Musik aus der Zeit. Bei der Erwähnung des Netflix-Hits „The Vikings“ stöhnen aber beide belustigt auf: „Das ist nicht gerade besonders authentisch“, verrät Jaromir, „wenn man damit anfängt, ist man schon versaut. Wenn man sich ein wenig mit der Geschichte beschäftigt, stellt man das sehr schnell fest.“  Er und seine Sippe sind darum bemüht, nur authentische Gewänder und Waffen zu nutzen, auch das Zelt und seine Ausstattung entsprechen der reinen Lehre und sind in jahrelanger – auch kostenintensiver – Sammelei zusammengetragen worden. Für Norde haben die Wochenenden, die er seinem Hobby jährlich widmet, aber auch noch einen anderen Hintergrund. „Mir gefällt dieses ursprüngliche Leben hier am Strand“, sagt er, „wir verzichten weitestgehend auf die meisten neuzeitigen Hilfsmittel.“

auch wenn die „Wikinger“ noch Monate später den Ostseesand aus den Gewändern schütteln, © TMV/Tiemann
wiegen die Gewänder der Kämpfer – da dauert es schon mal, bis sie mit der Hilfe der eigenen Sippe angelegt werden, © TMV/Tiemann
Wikinger sein, heißt auch modisch ganz alte (authentische) Wege zu gehen …, © TMV/Tiemann
Wenn Göhrener Kinder angreifen, sind auch Wikingerhorden überfordert, © TMV/Tiemann

Wikinger am Strand

Ein Erlebnis für die ganze Familie

Tatsächlich ist das Wikingerfest in Göhren ein Höhepunkt im Jahresablauf für Jaromir und Norde. „Das Lager direkt am Strand, das ist schon ein Traum. Auch wenn es sehr, sehr aufwändig ist, seinen ganzen Krempel hierher zu schleppen.“ Da lacht auch Norde und ergänzt: „Den Sand schleppen wir das ganze Jahr mit uns herum und bringen ihn dann nächstes Jahr wieder mit.“ Beide sind übrigens auch gute Kämpfer, was sich im Laufe des Tages im Rahmen der Schaukämpfe auf dem Schlachtfeld am Strand zeigen wird. Bei der ersten Auflage der Kämpfe stehen sich die beiden am Ende im Finale gegenüber. Kommt es denn bei den Schaukämpfen hin und wieder zu Verletzungen? „Selten“, sagt Michael Rietschel, der die Schaukämpfe am Strand moderiert, „die meisten Kämpfer sind gut geschützt und wissen, was sie tun. Sie trainieren regelmäßig für die Kämpfe, die als eigene Sportart mit speziellen Regeln ausgeübt wird.“ Dass bei den Schaukämpfen in Göhren auch Frauen mit Schwertern oder Pfeil und Bogen mitmischen, entspricht übrigens den historischen Tatsachen. In der Wikingerzeit verteidigten die Frauen schließlich Haus und Hof, während die Männer in fremden Ländern brandschatzten. Nur dass sich am Ende der Schaukämpfe in Göhren die anwesenden Kinderhorden im Alter von 5 bis 15 mit Gebrüll auf die Wikinger stürzten und die mächtigen Rabauken fröhlich in den Sand warfen, dürfte so oder ähnlich noch in keinem Geschichtsbuch erzählt worden sein. Aber Spaß hat´s auf jeden Fall gemacht.

Sie gehören zu den besten Kämpfern im Lager, © TMV/Tiemann
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