Die Bäume im Garten wiegen sich im Wind, Wolken jagen über den Himmel und die Dämmerung setzt ein. Drinnen, in der liebevoll eingerichteten kleinen Wohnung im Obergeschoss des großen, alten Gutshauses herrscht eine Behaglichkeit, die es einem wohlig ums Herz werden lässt. Der Dielenboden knarzt leicht bei jedem Schritt in die Küche. Der Tee duftet und dampft, die Kerzen auf dem dunklen Holztisch flackern leicht. Auf dem Tisch steht ein Laptop, das auf den ersten Blick nicht ganz in die historische Umgebung zu passen scheint. Auf den zweiten Blick ist es dort aber genau richtig. Denn das Gutshaus Zarchlin in Barkhagen, einem Weiler bei Plau am See, richtet sich explizit an Gäste, die Produktive Auszeit vom normalen Arbeitsalltag nehmen wollen. Und sich dabei gerne vom Charme eines alten Gutshauses inspirieren lassen. So wie der Schriftsteller aus Lüneburg, der eine Woche im Gutshaus verbringt, um seiner Kreativität in dieser friedlichen Atmosphäre und landschaftlichen Weite freien Lauf zu lassen.
Marianne und Daniel Krüger sind das Gastgeberpaar im Gutshaus Zarchlin. 2017 stießen sie durch Zufall auf das 144 Jahre alte Haus mit den 1000 Quadratmetern Wohnfläche. Auf das Haus, das als „Haus mit den 99 Fenstern“ berühmt geworden ist. Ein Name, der von der langen und außergewöhnlichen Geschichte des Hauses zeugt. Denn obwohl es eigentlich mit 101 Fenstern geplant wurde, hatte es lange Zeit zwei Fenster weniger. Der Grund ist genau so interessant wie nachvollziehbar: Ein Gutshaus musste einfach weniger Fenster haben als ein Herrenhaus oder ein Schloss, nur einem Herrenhaus waren 100 und mehr Fenster erlaubt. Zwei Fenster wurden daher zugemauert. Eine Tatsache, die Marianne und Daniel schnell änderten. Sie öffneten die beiden verschlossenen Fenster und ließen Glas einsetzen.
Und hatten eine ganze besondere Idee für ihr „Hausprojekt“, wie sie ihr mit viel Liebe restauriertes Gutshaus nennen: Sie wollten einen Ort schaffen, der Urlaub und Entspannung mit Kreativität verbindet. An dem die Menschen zusammenkommen, aber auch alleine sein können – jeder, wie er will. Sie wollten einen Ort schaffen, an dem jeder Gast das findet, was er sucht. Sei es nun eine erholsame Auszeit, Ideenfindung in kreativen Berufen oder die Kombination aus Beiden. Oder einfach einen Tapetenwechsel an der Mecklenburgischen Seenplatte.
Zu den Gästen, welche die Krügers ansprechen wollen, gehört die neue Zielgruppe der „Workationer“. Menschen also, die bei einem Aufenthalt Urlaub und Arbeit verbinden wollen. Ein Trend, der mit der Corona-Pandemie groß wurde, als sich das Home-Office stärker durchsetzte - und damit die Möglichkeit, auch fern der eigenen vier Wände arbeiten und kreativ sein zu können. Hier angereichert mit Freizeitelementen, die man zu Hause normalerweise nicht hat. Etwa einem See der Mecklenburgischen Seenplatte vor der Haustür. Immer mehr Unterkünfte bieten seither Workation-Optionen an; mancherorts entstehen sogar eigene Workation-Locations. Wie in Barkhagen. Dort können nun (nicht nur) Kreative aus allen Bereichen zusammenkommen, sich eine Ferienwohnung mieten, nichts tun, aber auch inspiriert weiterarbeiten. Job mit Urlaubsflair, gewissermaßen.
Die Krügers hätten ihr mecklenburgisches Gutshaus natürlich auch einfach für sich selbst behalten können. „Doch dann zog meine Schwester in eine Erwachsenen-WG auf dem Land“, erzählt Daniel. „Und was sie da so erzählt hat, hat uns inspiriert. So etwas Ähnliches wollten wir auch machen. Eine Art Gästehaus mit WG-Charakter. Denn es ist schön, bewusst Zeit und Lebensraum mit anderen Menschen zu teilen.“ Die beiden hatten einen Ort im Sinn, an dem Menschen arbeiten, kreativ werden, schreiben oder Musik machen können. Deshalb gibt es im Gutshaus Zarchlin sechs unterschiedlich große Ferienwohnungen, dazu Gemeinschaftsräume wie einen Probenraum für alle, die Musik machen wollen. Jeder kann sich zurückziehen, wenn er möchte, kann lesen, schreiben oder – von der Natur inspiriert – zu Leinwand und Pinsel greifen. Wer dagegen Gesellschaft sucht, findet diese in diesem ländlichen, friedlichen Idyll mit großer Wahrscheinlichkeit auch.
![Als Probenraum umfunktioniert für das Jazz-Ensemble "Triotop", © TMV/Gross](https://www.auf-nach-mv.de/images/wphhh0zfrgs-/als-probenraum-umfunktioniert-fuer-das-jazz-ensemble-triotop.jpg "Als Probenraum umfunktioniert für das Jazz-Ensemble "Triotop", © TMV/Gross")
Als Architekt und Mitarbeiterin in einer Bildagentur sind Marianne und Daniel selbst in kreativen Berufen tätig. Man meint fast, diese Kreativität zu spüren, wenn man das Gutshaus betritt und die Verschmelzung von Geschichte und Moderne sieht. Daniel ist außerdem Schlagzeuger. Vermutlich mit ein Grund für den Probenraum im Untergeschoss. Gerade hat ihn das Jazz-Ensemble „Triotop“ aus Rostock gebucht, das sich in den zwei Wohnungen im Untergeschoss des Gutshauses eingemietet hat. Die drei Musiker wohnen Tür an Tür zur großen Gutsküche und lieben die heimelige Atmosphäre. „Hier wacht man gemütlich auf, kann die top eingerichteten Wohnungen genießen, und proben können wir auch noch“, schwärmt Pianist Jacob Eckert. Später am Tag schwingt Hausherr Daniel bei den Proben die Drumsticks. Die anderen Gutshaus-Gäste bekommen nichts davon mit: Der Probenraum ist schallisoliert.
Weite Landschaften, historische Bauten, tiefblaue Seen und jede Menge Landidyll – die Mecklenburgische Seenplatte bietet genau das richtige Umfeld, um tief durchzuatmen. „Entspannung ist hier ist ein Kinderspiel“, findet Daniel. Er und seine Frau haben eigens ein Booklet gestaltet, in dem sie ihren Gästen ihre Lieblingsorte verraten und so die Schönheit der Landschaft mit ihnen teilen. Schließlich gibt es rund um das Gutshaus jede Menge zu entdecken.
Wer nicht gerade den großen Park mit seinen Buchen genießt oder in einen der zahlreichen Badeseen in der Umgebung springt, kann auch im Gutshaus selbst auf Entdeckungsreise gehen. Denn Marianne und Daniel Krüger haben das 144 Jahre alte Anwesen ganz nach dem Motto „Denkmal trifft Zeitgeist“ modernisiert, und jedes Möbel hat seine Geschichte. Originalmöbel von damals gab es im Gutshaus nicht mehr. Deshalb zogen neue Möbelstücke und Accessoires ein. Auf Flohmärkten fanden Marianne und Daniel Esstische und Betten; manche Stücke wie das große, majestätisch anmutende Himmelbett in der Ferienwohnung im Erdgeschoss bekamen Krügers sogar geschenkt. Der Flügel im Wohnzimmer ist ein Erbstück von Daniels Großvater.
Die Stimmung im Haus ist warm und herzlich. „Es gibt Abende, an denen wir bis spät in die Nacht mit unseren Gästen zusammensitzen und quatschen, weil es so nett ist!“, freut sich Marianne. „Zu Gast bei Freunden sein, das ist unser Motto“, erklärt Daniel. Gäste dürfen immer anklopfen, nach Tipps fragen. Manchmal ergeben sich daraus auch gemeinsame Zeit, lange Gespräche. „Wir haben das in unserem Haus umgesetzt, was wir in unserem Traumurlaub gerne selbst erleben würden.“ Diese Qualität, die Menschlichkeit und die Nähe ziehen Menschen an, die gute Dinge schätzen. Und die gerne wiederkommen. Um zu arbeiten. Oder einfach nur, um Urlaub zu machen.
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